KONSTANTIN LANDURIS // D E S I G N   H E A R T

Der super+CENTERCOURT zeigt vom 11. September bis 23. Oktober 2015 die kinetische Installation D E S I G N  H E A R T des Münchner Designers Konstantin Landuris, eine futuristisch-technoide Rauminstallation.

Auch wenn die Idee Lebewesen als uhrwerkartige Mechanismen zu begreifen schon in der antiken Philosophie angelegt war, realisierten sich Versuche der mechanischen Selbst-Replikation erst im 18. Jahrhundert (z.B. durch Jacques de Vaucanson, Pierre Jaquet-Droz). Dank der fortschreitenden Technik ist heute ein neues Level erreicht, das in der Science Fiction Literatur, der bildenden Kunst und in Filmen wie Bladerunner (1982), Her (2013), Ex Machina (2015) oder der Serie The six million Dollar Man (1974-1978) unterschiedliche Projektion in dystopischen Welten findet. Ähnlich dem real gewordenen Exoskeleton findet sich im Ausstellungsraum ein künstliches Herz – ein designtes Implantat.

Das D E S I G N H E A R T setzt sich aus technoiden Materialen zusammen, die gemeinsam die für den Designer Landuris typisch futuristische Ästhetik beschreiben.Im Zentrum der statischen, scheinbar schwebenden Grundkonstruktion, die über einen Satellitenfuß in den Boden des Ausstellungsraumes verankert ist, steht ein Aluminiumskelett, das als tragendes Element fungiert. Daran befestigt sind Karbonkörper, welche über Kohlefaserstäbe fixiert werden. Zwei Membrane spannen sich wie Sonnensegel über den Körper. Durch ihre mit Textil bespannte Leichtbaukonstruktion verleihen sie der Installation einen insektenhaften Charakter. Ein mittels Elektromotor angetriebenes pneumatisches System setzt zwei Latexmembranen über Unterdruck in Bewegung und bewirkt das Pumpen der Herzkammern. Dieses Pulsieren wird zusätzlich durch integrierte Soundmodule akustisch verstärkt.Eine Arduino-gesteuerte Sensorik kontrolliert den Ruhepuls des Herzens und lässt es zugleich erkennen, wenn Menschen sich ihm nähern. Ähnlich dem organischen Herzen reagiert es darauf interaktiv; er verändert seinen normalen Sinus Rhythmus.

 

Durch die Form der kinetischen Skulptur, die im Sinne künstlicher Intelligenz zu „Selbstständigkeit“ fähig ist, ist einerseits das Symbol Herz in seiner populärkulturellen Bedeutung aufgerufen. Seine technische Umsetzung positioniert es andererseits im Diskurs technischen Fortschritts. International wird das Herz mit hoher Verlässlichkeit als Referenz für Emotionen, Gefühle, eine Vermenschlichung verstanden, die Konnotation mit potenzieller Fehlerhaftigkeit, unrationellem Verhalten, Begrenzung und Tod liegt dabei ferner. Insbesondere die als zweites benannten Charakteristika sind jedoch unter dem Optimierungsgedanken für Wissenschaft und Entwicklung von gesteigertem Interesse und Grundlage für die aktive, fortschrittsorientierte Gestaltung des Menschen.

Landuris` D E S I G N   H E A R T greift durch das Aufrufen des symbolträchtigen Herzmotivs und seine Umsetzung in technoider Ästhetik beide Assoziationen auf. Die Installation wird zum Produkt der Auseinandersetzung mit dem Menschen als potenziellem Cyborg. Sie changiert zwischen der Artikulation einer Begeisterung für den fortschritterstrebenden Menschen und der Angst vor einer sich realisierenden Dystopie. 

Damit ist die Installation im Diskurs des Transhumanismus verortet und visualisiert Landuris’ Interesse an dem steten Versuch, den Menschen zu einem Cyborg zu optimieren. Beide Ansätze wurden nachhaltig von A. M. Turings (1912-1954) und seinem Turing-Test, der den Menschen in direkte Konkurrenz mit der Maschine stellte, geprägt. Der Transhumanismus beschäftigt sich nicht mit der Ablösung des Menschen durch künstliche Lebensformen, sondern mit seiner Verschmelzung mit der Technik und damit seiner Kontinuität. Durch diese Verschmelzung wird der Mensch zu einem Hybrid künstlicher und organischer Intelligenz; er überwindet und bewahrt seine Existenz zugleich, wodurch metaphysische Fragestellungen zu seinem Wesen aufgerufen werden. Überlegungen ob und wie die Konkurrenz mit der Maschine unter Zuhilfenahme der Technik und zugleich in anthropozentrischer Tradition funktionieren kann, stehen im Zentrum der Ausstellung.

Biennale di Venezia 2015

Als Hommage auf Sarah Lukas’ Gestaltung des Britischen Pavillons entstand während der diesjährigen Biennale di Venezia die gelbe Herzskulptur „for Sarah with love“ und wurde in einer Guerillaausstellung in das Geländer der Giardini implementiert. Im Gegensatz zu der kinetischen Installation des super+CENTERCOURT , die formal ebenfalls die Herzform aufgreift, sich hinsichtlich seiner Ästhetik jedoch völlig verändert zeigt, war das Herz der Biennale noch aus organischen Materialen geschaffen.

 

Kuratiert von Viktoria Wilhelmine Tiedeke