#4 Veronika Wenger | Solo Show

 EXHIBITION 24.04 bis 29.05.2020

DE

Veronika Wenger’s Werke erfordern eine Sensibilität und Wahrheit für das Material, in der Art und Weise, wie das Material das Bewusstsein eines Künstlers verkörpert. Auf der Suche nach einer Wahrheit ist ‚das schöne Werk‘ ein Nebenprodukt dieser Suche. Dabei verkörpert die künstlerische Produktion das Unsichtbare und Innerliche, ein Rest, hinterlassene Spuren des erlebten. Die Kraft ihrer Werke werden im super+Centercourt sichtbar. Unsere bewusste Erfahrung beruht auf einer komplexen Anhäufung von Erinnerung und unbewusstem Material, die sowohl unser Selbstidentitätsgefühl als auch die Grundlage unserer Beziehung zur Erfahrung bildet. Wenger versucht dies in einem intensiven performativen Akt des Zeichnens zu „halten“. Neben den zwei großformatigen Zeichnungen wird die Künstlerin im Laufe der Ausstellungszeit eine Wandarbeit im super+Centercourt schaffen und uns an eben diesem Entstehungsprozess teilhaben lassen. 

Schwarze, weiße, aus- und ineinander schleudernde Linien, zentripetale und zentrifugale Kräfte, Rhythmen, dynamisch fließende, positive wie negative Spuren; Reste. Zwischen Vorgefundenem und Erfundenem, Unbewusstem und Bewusstem, Geschichte und Gegenwart, zwischen ursprünglichen und verfremdeten offenbaren uns Veronika Wengers Arbeiten einen sinnlichen Einblick.

Umrisse und Volumina eines Frauenkörpers, einer Tänzerin kaum noch erkennbar – tritt das Plastische nurmehr als eine formale Qualität auf. Das Körperliche determiniert nicht nur unsere Wahrnehmung, Körperliches findet sich auf der Seite des Wahrgenommenen. Die abstrakten Zeichnungen machen deutlich, dass der Körper keineswegs abgeschafft wurde, sondern (lediglich) die Modalitäten seiner Darstellung transformiert wurden. Wengers Zeichnungen zu sehen ist wie vorlesen hören in einer anderen Sprache, die gleichzeitig lineare wie offene Raumflächen evoziert, um es etwas paradox auszudrücken. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen einer freien, aller Gegenstandsbeschreibung enthobenen und einer poetisierenden Gegenständlichkeit von oft nur vage angedeuteten Architekturen, Figuren oder Sprache. Die Möglichkeiten der Zeichnung wird dabei behutsam ertastet: lineare und farbige Bewegungen, rhythmische Strukturen, still und zart, dynamisch und rasant. Die Zeichnungen auf Papier, MDF und Pappe zeigen dabei aber nichts aus der physischen Wirklichkeit, sie sind nicht einmal abstrakt in dem Sinne, dass sie etwas Vorgefundenes verknappen, sie sind schlichtweg ungegenständlich. Auf monochromen Grund finden sich Linien, flüchtige Striche, die sich ziehen, kreuzen und kreisen. Farbe kommt hinzu, bleibt aber örtlich begrenzt – was sie um so ausdrucksstärker macht. 

Es sind Fragmente, Zeichen, Formen, Spuren, Buchstaben und Linien einer mentalen, inneren Welt. Es ist die An- und Abwesenheit der Spur, ihr Auftauchen und Verschwinden, ihre Aufbewahrung und ihr erinnert werden oder ihr Verlust und ihre verlorene Abwesenheit die uns in den Bann ihrer Werke zieht. 

Die Nähe der Erinnerung zur Schrift, einem ihrer Vehikel ist offensichtlich. Schreiben befreit täglich Sachverhalte aus dem Sog des Vergessens. Zugleich aber übersetzt es alle primäre Erfahrungen (was wir vor uns sehen, was uns widerfährt, selbst die Erschütterung von Liebe und Tod). So erscheinen die Werke als sinnfällige Gegenüberstellung von Chaos und Geradlinigkeit die einen Dialog zwischen Erinnerungen von Spuren, Choreographie, Tanz oder Performance schafft. Ein Kosmos an Zusammenhängen und Bezügen der in den seriellen Arbeiten immer wiederzufinden ist. Ein kontinuierliches Element ist dabei die Linie, sie trennt und verbindet gleichzeitig. Die gefühlvoll-sachlichen Linien, deren schöne Autonomie süchtig machen kann, befreit die Linie vom Grund oder den Grund von der Linie, und trotzdem bleibt beides erhalten. Sie verbindet die sichtbaren Formen zu einer endlosen Verknüpfung zwischen Innen und Außen, Fläche und Form. Sie verstärkt eine Symmetrie der Tiefendimension durch ihre rhythmische Aufteilung entsteht das Erleben von Tiefe, Bewegung, Bewusstem und Unbewusstem, wodurch die Werke nicht zuletzt auch an Zeitlichkeit gewinnen. 

Veronika Wenger, 1967, lebt und arbeitet in München. Wenger studiert von 1990 - 1996 an der Akademie der Künste in München. Hält Lehrauftrage an verschiedenen Akademien im In- und Ausland u.a. Wuhan, Zürich, University of Hertfordshire, Teheran. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, u.a. Amsterdam, Istanbul, London, Odessa, Berlin, Istanbul Art Fair Tüyap. Weitere Informationen zur Künstlerin finden Sie unter www.veronikawenger.de

Der super+Centercourt bleibt vorübergehend geschlossen. Wir bieten Ihnen jedoch auf Anfrage und in einem privaten Rahmen Führungen und Gespräche mit der Künstlerin. Bei Interesse melden Sie sich via Mail info@centercourt.gallery oder telefonisch unter 01724703315 an. 

Das Ausstellungsprogramm wird zudem begleitet von Talks, Interviews und der gleichnamigen Katalogs Veröffentlichung im Web über Facebook, Instagram und über unsere Homepage.

Kuratiert von Sophie-Charlotte Bombeck

EN

Veronika Wenger's works require a sensitivity and truth for the material, in the way the material embodies the consciousness of an artist. In the search for truth, 'the beautiful work' is a by-product of this search. The artistic production embodies the invisible and inner, a remnant, left behind traces of the experienced. The power of her works become visible in super+Centercourt. Our conscious experience is based on a complex accumulation of memory and unconscious material, which forms both our sense of self-identity and the basis of our relationship to experience. Wenger attempts to "hold" this in an intense performative act of drawing. In addition to the two large-format drawings, the artist will create a wall piece in the super+Centercourt during the course of the exhibition and allow us to participate in this very process of creation. 

Black and white lines that fling in and out of each other, centripetal and centrifugal forces, rhythms, dynamically flowing traces, both positive and negative; remnants. Between found and invented, unconscious and conscious, past and present, between original and alienated, Veronika Wenger's works reveal a sensual insight to us.

Outlines and volumes of a woman's body, a dancer barely recognizable - the plastic appears only as a formal quality. The physical not only determines our perception, the physical is found on the side of the perceived. The abstract drawings make it clear that the body has by no means been abolished, but (merely) the modalities of its representation have been transformed. To see Wenger's drawings is like listening to them read aloud in another language that simultaneously evokes linear and open spatial surfaces, to put it somewhat paradoxically. Her works move between a free figuration, free from all description of the object, and a poetizing figuration of often only vaguely hinted at architectures, figures or language. The possibilities of drawing are carefully explored: linear and coloured movements, rhythmic structures, still and delicate, dynamic and rapid. But the drawings on paper, MDF and cardboard show nothing of physical reality, they are not even abstract in the sense that they are a shortage of something found, they are simply non-representational. On a monochrome ground, lines, fleeting strokes, are to be found, which stretch, cross and circle. Colour is added, but remains locally limited - which makes them all the more expressive. 

They are fragments, signs, forms, traces, letters and lines of a mental, inner world. It is the presence and absence of the trace, its appearance and disappearance, its storage and being remembered or its loss and lost absence that draws us into the spell of her works. 

The proximity of memory to writing, one of her vehicles, is obvious. Writing frees daily facts from the pull of forgetting. But at the same time it translates all primary experiences (what we see before us, what happens to us, even the shaking of love and death). Thus the works appear as a meaningful juxtaposition of chaos and straightforwardness that creates a dialogue between memories of traces, choreography, dance or performance. A cosmos of connections and references that can be found again and again in the serial works. A continuous element is the line, it separates and connects at the same time. The emotional-objective lines, whose beautiful autonomy can be addictive, frees the line from the ground or the ground from the line, and yet both are preserved. It connects the visible forms to an endless connection between inside and outside, surface and form. It reinforces a symmetry of depth dimension. Through its rhythmic division, the experience of depth, movement, the conscious and the unconscious is created, whereby the works not least gain in temporality. 

Veronika Wenger, 1967, lives and works in Munich. She studied from 1990 - 1996 at the Academy of Arts in Munich. She teaches at various academies in Germany and abroad, including Wuhan, Zurich, University of Hertfordshire, Tehran. Numerous exhibitions at home and abroad, e.g. Amsterdam, Istanbul, London, Odessa, Berlin, Istanbul Art Fair Tüyap. Further information about the artist can be found at www.veronikawenger.de.

The super+Centercourt will be temporarily closed. However, on request and in a private setting, we offer you guided tours and discussions with the artist. If you are interested, please register via mail info@centercourt.gallery or by phone at 01724703315. 

The exhibition program will also be accompanied by talks, interviews and the catalogue of the same name published on the web via Facebook, Instagram and on our homepage.

Curated by Sophie-Charlotte Bombeck