The exhibition OLEANDERS TRAUM is a co-project by Elina Uschbalis and Michele Melillo • curated by Rosali Wiesheu • opening reception: Thursday, April 28th, 7 pm • opening hours: by appointment +49 (0) 157 303 45 737 • until Mai 22nd

Seit dem Marquis de Sade hat wohl keiner die Verflechtung von Kunst und Eros so eindringlich untersucht wie der französische Bibliothekar, Numismatiker und Schriftsteller Georges Bataille. Unter seinem Pseudonym „Lord Auch“ veröffentlichte er 1928 die Geschichte des Auges. Wobei es sich bei diesem Text weniger um eine klassische Erzählung handelt als vielmehr um die Verfolgung einer Metapher: der des Auges und seiner Entsprechungen, die in wechselnden erotischen Konstellationen erscheinen. Unter dem Titel OLEANDERS TRAUM widmen sich Elina Uschbalis und Michele Melillo in unterschiedlichen Medien dem Möglichkeitspotenzial einer erotischen Bildsprache und dem Versuch einer Transformation des rationalen Sehens hin zu einer assoziativ-sensuellen Erfahrung des Visuellen.

Wo Elina Uschbalis unter Rückgriff auf ein mythologisches Bildprogramm mit den Ausdrucksformen des spätbarocken Hochreliefs experimentiert, erhebt Michele Melillo den Stilmix zum künstlerischen Prinzip: in seinen verschiedenformatigen Zeichnungen (DinA5 bis DinA0) treffen barocke Ornamente auf antike Architekturen und Einsprengsel der Pop-Art. Inhaltich entwirft er Szenen gescheiterter Kommunikation und unmöglicher Beziehungen, die er durch das Einfügen scheinbar eindeutiger Zeichen zusätzlich verfremdet: in die Luft geworfene Arme, die zwischen Wut und Begeisterung oszillieren, Beine, die anstelle von Armen nach einem Gegenüber greifen, das sich ständig entzieht. Gesten eines vertrauten Verhaltensrepertoires, deren Zusammenhang sich dem Betrachter allerdings verschließt, da sie keinem übergeordneten Narrativ folgen.

Den figurativen Zeichnungen Melillos setzt Elina Uschbalis eine mythologisch aufgeladene Bildsprache entgegen, die sadistische Phantasien eines Marquis de Sade ebenso zitiert wie antike Fruchtbarkeitssymbole und die Ikonographie des Alten Testaments. Auf muschelförmigen Keramikplatten schlängeln sich Amphibien über Rosenbeete und verschwinden in schlüpfrigen Löchern am Bildrand, eine Anthurie reckt provokant ihren Stängel dem Betrachter entgegen und Gehirne docken aneinander an wie Autoscooter auf einem Jahrmarktsfest.

Beide Künstler kombinieren Motive des Rokoko mit modernem Bildvokabular und volkstümlicher Ornamentik zu einer je eigenen künstlerischen Ausdrucksweise. Obwohl als Einzelbilder konzipiert, erzeugen ihre Arbeiten im Zusammenspiel eine permanente Überschreitung ihres eigene Inhalts und ihrer jeweiligen Form. So wie die Protagonisten in Batailles Geschichte des Auges in der Überschreitung der gesellschaftlichen Verbote aus dem tabuisierten, unreinen Gegenstand etwas geradezu Heiliges machen, erzeugen die Zeichnungen von Melillo und Uschbalis’ Hochreliefs gerade in ihrer Kombination einen Assoziationskontext, der sich einem rein rational-fokussierten Herangehen an die Arbeiten entzieht. Sie überschreiten ihre Grenzen dabei nie in Richtung auf eine utopische Idealität, sondern auf ein sinnlich-surreales Traum-Trieb-Dunkel.


Rosali Wiesheu, Kuratorin


Elina Uschbalis (*1989 in Almaty, Kasachstan)
hat ab 2009 Malerei in den Klassen Merz und Bustamente an der Akademie der Bildenden Künste studiert und 2015 als Meisterschülerin abgeschlossen. Sie lebt undarbeitet als freie Künstlerin in München.

Michele Melillo (*1977 in Fürstenfeldbruck)
ist Absolvent der Akademie der Bildenden Künste München. Er hat bis 2007 Malerei in der Klasse von Professor Axel Kasseböhmer studiert und war bis 2013 dessen künstlerischer Mitarbeiter. Michele Melillo wird von der Galerie Nicole Gnesa vertreten. Er lebt und arbeitet in München.